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25.07.2018 um 10:17 Uhr
Phänomen Teletext: Warum die Pixel nicht totzukriegen sind und wie die ARD ihr Angebot zukunftsfest machen will
Sie leitet den ARD-Text seit 10 Jahren: Frauke Langguth
Ob Röhre, Flachbildschirm oder Secondscreen: Der Teletext hat bisher jeden Fernsehtrend der vergangenen 38 Jahre überlebt. Dabei ist er mit seinen bunten Pixeln eigentlich schon lange nicht mehr zeitgemäß. Mit kreativen Ansätzen wollen Fernsehmacher, insbesondere die ARD, den Teletext nun zukunftsfähig machen – und probieren auch gänzlich neue Wege aus.
Von Robert Tusch
Böse Zungen würden behaupten, Frauke Langguth, die Leiterin des ARD-Teletext beim rbb (Rundfunk Berlin-Brandenburg), habe keinen Job mit Zukunft. Langguth selbst sieht das wohl anders: Sie macht ihren Job immerhin seit zehn Jahren. Und wenn Sie darüber spricht, ist ihre Begeisterung für den Teletext zu hören. In kleinen Schritten hat sie den ARD-Text weiterentwickelt, sofern es eben geht mit den Grenzen, die sie hat. Gerade einmal 25 Zeilen mit 40 Zeichen und sechs Farben (plus Schwarz und Weiß) stehen ihr zur Verfügung. Auf Bilder und Videos muss die leidenschaftliche Fotografin verzichten.
Doch Langguth ist gelungen, was viele für unmöglich hielten: Die Zahlen des Teletextes bewegen sich in Zeiten von Facebook, Twitter und Nachrichten-Apps auf einem erstaunlich hohen Niveau. Laut ARD Trend 2017 erreicht der ARD-Teletext zusammen mit dem ZDF etwa 12 Millionen Leser, die den Dienst regelmäßig nutzen. Über alle Sender gesehen rufen etwa 15 Millionen Nutzer mehrmals pro Woche Teletext auf. Die ARD hat damit den größten Anteil am Publikum.
Gerade die kurzen und sehr präzisen Nachrichten würden die Nutzer im Teletext schätzen, sagt Langguth im Gespräch mit MEEDIA. “Wir sind wie eine Säule in aufgeregten Zeiten.” Rund 9.500 Mal aktualisiert die ARD-Text-Redaktion in Potsdam das Angebot inklusive kleiner Änderungen pro Tag. 357 Seiten werden dabei im Schnitt erneuert. Besonders beliebt sind neben den Nachrichten nach wie vor Sportergebnisse und Programminformationen.
Aber Langguth geht noch weiter: Schritt für Schritt modernisiert sie auch den Service-Teil des Teletextes. Mit Teletwitter zum Beispiel bringt sie das Digitale ins Analoge: Ausgewählte Tweets der Zuschauer werden zu einer laufenden Sendung im ARD Videotext eingeblendet – etwa zum “Tatort” am Sonntag, bei Fußballübertragungen und Live-Events wie dem Eurovision Song Contest. Besonders beliebt unter den Lesern ist auch die Seite 388, das Tatort-Magazin, das unter anderem die Musik aus den aktuellen Sonntagskrimis listet.
Video: ARD/ZDF zeigten in der Startphase des Videotextes außerhalb der eigentlichen Sendezeiten die wichtigsten Bildtafeln im laufenden Fernsehprogramm
“Offen für andere Plattformen”
All das ist schön und gut, wäre da nicht die ständige Ungewissheit, mit der sich Fernsehmacher seit Jahren konfrontiert sehen. Die Nutzung des linearen Fernsehens geht konstant zurück – und mit ihr wird auch die Nutzung des Teletext sinken. Digitale Lösungen wie HbbTV, der digitalen Variante des Teletextes, können den Nutzungsrückgang auf lange Sicht wohl auch nicht aufhalten.
Die ARD macht sich deshalb Gedanken darüber, wie die Redaktion in Zukunft ihre Inhalte an den Leser bringen kann. Neben einer Online-Version bietet eine App für Android und iOS Zugriff auf die Nachrichten des Teletextes. 80 Kilobyte kostet der Abruf einer Seite mit dem Smartphone im Höchstfall. “Unsere Nutzer schätzen die geringe Ladezeit, auch in Gebieten, in denen sie kaum Empfang haben”, sagt Langguth.
Doch dabei soll es nicht bleiben: “Wir denken auch darüber nach, wie man den Teletext mit der Stimme bedienen kann.” Theoretisch würden sich die kurzen Meldungen für Heimassistenten wie Alexa oder Google Home eignen. Überlegungen dazu finden in der ARD-Text-Redaktion bisher aber nur im kleinen Rahmen statt. Selbst eine Smartwatch-App habe man in Erwägung gezogen, allerdings hätten sich die digitalen Uhren auf dem Markt noch nicht wirklich durchgesetzt, so Langguth.
Die ARD zeigt sich offen für neue Plattformen, will die Struktur des Teletextes aber immer beibehalten. Seitenzahlen sollen weiterhin das zentrale Element des Textes bleiben. “Unsere Leser haben sich schließlich längst daran gewöhnt, dass etwa auf Seite 200 der Sportteil zu finden ist.” Auch längere Nachrichten soll es im ARD-Text nicht geben.
Andere Fernsehsender sehen weniger Handlungsbedarf, was die Zukunft des Teletextes angeht. “Teletext ist Kult”, schreibt ein Sprecher des ZDF auf MEEDIA-Nachfrage. “Die kurze, sehr zuverlässige Information feiert im Meer der Infoschnipsel im Netz aus unserer Sicht eher eine Renaissance.” Das ZDF sehe daher keinen Grund, “die Welt neu erfinden zu wollen”. Ein Sprecher der Mediengruppe RTL sieht die Vorteile des Teletextes darin, Nachrichten ohne Medienbruch anzubieten. Solange es dabei “eine relevante Nutzung gibt, wird es das analoge Teletext-Angebot geben.” Bei Sendern der ProSiebenSat.1 Gruppe werden zwar viele Möglichkeiten geprüft, den Teletext auch auf anderen Plattformen anzubieten, bislang sei hierzu aber keine Entscheidung gefallen.
Den Teletext neu erfinden, das will auch Langguth nicht. Doch mit ihren Ansätzen geht sie neue Wege, um die Inhalte von der Abhängigkeit der TV-Welt zu befreien. Sieht man es so, ist die Zukunft ihres Jobs erstmal gesichert.